Ressourcengewinnung auf dem Mond

Interview /

Leben auf dem Mond? Das klingt heute vielleicht noch etwas unrealistisch, die Urbanisierung des Mondes ist aber eines der Zukunftsthemen in der Raumfahrt. Begrenzte Ressourcen auf dem Mond, das Fehlen fossiler Energieträger sowie extreme Bedingungen wie sehr hohe bzw. niedrige Temperaturen oder ein veränderter Tag-/ Nachtrhythmus erfordern neue Ideen zur Energieversorgung sowie zur Produktion dazu notwendiger Komponenten und Bauteile.

Das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST entwickelt neue Konzepte, um die Energieversorgung mit lunaren Ressourcen sicherzustellen. Lesen Sie hier ein Interview mit Dr. Andreas Dietz, Experte für Elektrochemie und Oberflächentechnik für die Raumfahrtbranche am Fraunhofer IST.

Dr. Andreas Dietz im Interview.
Dr. Andreas Dietz im Interview.

Herr Dietz, Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema »Elektrochemie in der Raumfahrt«, was fasziniert Sie so an diesem Thema?

Wir wollen ja die Welt retten und fangen am besten auf dem Mond damit an. Wie bereits in den 1960er bis 1970er Jahren wollen die Menschen heute wieder zum Mond fliegen. Damals war es die Apollo-Mission, die die Welt in Atem gehalten hat. Heute denkt man wieder ernsthaft darüber nach, Menschen auf den Mond zu bringen, jedoch für längere Zeit. Im Projekt »Moon Village« arbeiten wir mit an dem Ziel, ein ganzes Dorf auf dem Mond zu bauen. Eine große Herausforderung ist aber, dass es auf dem Mond nichts gibt, keine Materialvielfalt und leider auch keinen Baumarkt, in dem man nach Herzenslust einkaufen kann. Wir müssen also mit dem arbeiten, was dort oben zur Verfügung steht. Technologien zu entwickeln und Methoden zu erforschen, die das ermöglichen, ist ein spannendes Aufgabenfeld.

Ist ein Leben auf dem Mond in Zukunft denkbar?

Eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte und nachhaltige menschliche Präsenz auf dem Mond ist die Verfügbarkeit von Ressourcen wie reinen Metallen und Sauerstoff, um beispielsweise Unterkünfte, eine Forschungsstation und die notwendige Infrastruktur für Astronauten zu schaffen. Das sogenannte Mondregolith, loses Gestein, das sich auf der Oberfläche des Mondes befindet, besteht aus Metalloxiden wie zum Beispiel Eisen, Titan, Aluminium oder Magnesium. In diesen Oxiden liegt Sauerstoff in festgebundener Form mit einem Anteil von etwa 50 Prozent an der Gesamtmasse vor. Um sowohl den Sauerstoff als auch die Metalle in ihrer Reinform für die Menschen verfügbar zu machen, ist ein Prozess unter Weltraumbedingungen mit wenig Verbrauchsmaterialien erforderlich. Am Fraunhofer IST arbeiten wir an einem solchen Verfahren zur Extraktion reiner Elemente aus Mondregolith.

 

Was sind die Herausforderungen bei der Ressourcengewinnung auf dem Mond?

Wir müssen mit den Vorräten und Ressourcen leben, die es auf dem Mond gibt. Wir können nur wenig von der Erde hochbringen, weil das natürlich viel zu teuer wird. Ein Kilogramm Payload für eine Rakete kostet etwa 15000 Euro und wir können nicht Tonnen über Tonnen dort hoch transportieren. Das heißt, die große Herausforderung ist, dass alles, was wir auf dem Mond brauchen, Häuser, Straßen, Lampen, jeden einzelnen Schraubendreher, aus dieser Ressource, dem Regolith, hergestellt werden muss.

 

An welchen Projekten arbeiten Sie, um dieses Ziel zu erreichen?

Ein Projekt ist ELMORE, das steht für »ELektrochemische Prozesse zur Gewinnung reiner Elemente aus MOndREgolith« und wurde vom DLR gefördert. Das Ziel des Projekts ist es, nutzbare Metalle und Sauerstoff aus Regolith zu gewinnen, d.h. wir versuchen, Regolith so aufzuspalten, dass wir auf der einen Seite Eisen, Aluminium oder Silizium und auf der anderen Seite Sauerstoff bekommen. Das ist schon eine sehr große Herausforderung, besonders, weil auf dem Mond völlig andere, sehr schwierige Bedingungen vorherrschen.

 

Welche Bedingungen sind das?

Es ist mit -120 °C bitterkalt in der Nacht, während es mit Temperaturen von 170 °C tagsüber sehr heiß wird. Dazu kommt noch der veränderte Tag-Nacht-Rhythmus: Ein TagNacht-Zyklus auf dem Mond entspricht einem Zeitraum von etwa einem Monat auf der Erde. Von Sonnenaufgang bis zum Höchststand der Sonne vergeht rund eine Woche, eine weitere Woche dauert es, bis die Sonne wieder untergangen ist und sich eine etwa 14-tägige Mondnacht anschließt. Für derart lange Nächte muss unter anderem ausreichend Energie gespeichert werden. 

 

Wie kann das gelingen? Gibt es dafür bereits Lösungsansätze?

Im DLR-Projekt »Ferrotherm« arbeiten wir an der Idee, eine kohlenstofffreie Energieerzeugung durch Eisenverbrennung und elektrochemisches Recycling zu entwickeln. Der Vorteil: Das Eisenoxid, das bei der Verbrennung entsteht, ist fest und lässt sich elektrochemisch recyceln. Dieses Prinzip der Eisenverbrennung soll in einem späteren Schritt auf ein Kraftwerk übertragen werden – analog zu einem Kraftwerk auf der Erde. Denn da es auf dem Mond keine fossilen Brennstoffe gibt und die vorhandenen Ressourcen ebenfalls endlich sind, sind wir auf der Suche nach einem auch langfristig tragbaren Ansatz. Dieser Prozess könnte dann mittelfristig auch auf die Energieerzeugung ohne fossile Brennstoffe auf der Erde übertragen werden.

 

Glauben Sie, dass – angesichts der Klimakrise – es sinnvoll ist, soviel Geld zu investieren, um den Mond als Lebensraum nutzbar zu machen?

Wir möchten nicht einfach nur zum Mond fliegen, sondern wollen alle diese Ideen und Technologien, die wir für »Moon Village« entwickeln, auch auf der Erde nutzen. So wollen wir die Dekarbonisierung vorantreiben. Da trifft es sich gut, dass wir auf dem Mond ohnehin keinen Kohlenstoff haben. Wenn wir es also schaffen, dort Eisen als Brennstoff erfolgreich einzusetzen, dann können wir das auch auf der Erde nutzen. Ein ähnliches Beispiel sind Batterien: Sinnvolle Energieträger auf dem Mond wären sogenannte Redox-Flow-Batterien, die es auf der Erde bereits gibt. Diese basieren auf Vanadium, mit dem jedoch niemand arbeiten möchte, weil es als kritischer Rohstoff gilt. Auf dem Mond gibt es kein Vanadium und man muss sich mit dem begnügen, was zur Verfügung steht: Eisen, Titan, Magnesium. Das heißt, man denkt darüber nach, RedoxFlow-Batterien in Zukunft aus Eisen oder Titan herzustellen und das dann auf die Erde zu transferieren. Eine Batterie aus Eisen wäre wirklich ein tolles Geschenk. Es nicht kritisch, überall verfügbar und darüber hinaus sehr günstig. 

 

Ihr Fazit?

Das sind alles Ideen, die uns umtreiben, wenn es um die Entwicklung von ISRU-Themen (In-situ-Resource-Utilization) für den Mond geht. Uns geht es vor allem darum, nachhaltige und effiziente Innovationen für Weltraum und Erde zu entwickeln. Der Hauptgedanke dabei ist für uns immer, diese Technologien auch auf der Erde zu nutzen, um dort ressourceneffizient, ohne Kohlenstoff und somit nachhaltiger zu arbeiten zu können.

Ressourceneffiziente Prozesse für das »Moon Village«.
© Fraunhofer IST
Ressourceneffiziente Prozesse für das »Moon Village«.

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